Griechenlandgeschichten von freilebenden Hunden.
Sechs Jahre Griechenlandaufenthalt gaben mir die Möglichkeit auf dem Festland und den verschiedenen Inseln wildlebende Hunderudel zu beobachten. Wobei sich die Stadtvagabunden dem Menschen gegenüber anders verhalten als die verwilderten Hunde der Bergregionen.
Die Mitglieder der Stadtrudel sind ausserordentlich clever was die Anpassung und das Zurechtkommen in der menschlichen Zivilisation angeht. Sie unterscheiden genau zwischen Einheimischen und Touristen. Die Griechen wehren jeden herrenlosen Hund mit Steinwurf ab, dies lernen schon die kleinsten Kinder. Wenn man diese Meldung liest - in dem Falle aus Moskau - versteht man vielleicht warum:
http://www.focus.de/panorama/welt/tierplage_aid_230868.html
Sobald die griechischen Hunde sehen, dass sich ihr menschliches Gegenüber bückt und einen Stein aufhebt geben sie Fersengeld. Die meisten Touristen haben Mitleid und füttern was das Zeug hält.
Die Rudel sind zwischen 6 - 12 Hunde stark. Meist sind es Schäferhundmischlinge, aber auch kleinere. Sie jonlieren im Strassenverkehr mit der selben Aufmerksamkeit - rechts und links gucken, Ampelsignale beachten, - wie der Mensch. Nur sind sie geschwinder in ihren Reaktionen. Für die Futterbeschaffung trennen sie sich zumeist, ausser es geht an die Mülltonnen. Jeder Hund hat so sein Spezialrevier. Irgend ein Restaurant, einen Stammplatz am Strand, Plätze an der Werft, ... überall dort wo sich die Touristen tummeln. Sie haben wohl gelernt dass sie im Alleingang eher gefüttert werden als wenn sie im Dutzend auftauchen. Eine kleine Hündin kam regelmässig an die Aussentische eines Kafenions gehumpelt. Sie lief auf drei Beinen und wurde von den Touristendamen besonders bemitleidet. War sie satt, humpelte sie zurück bis zur nächsten Strassenecke um dann gerade um die Ecke, mit Tempo, auf allen Vieren, zu ihren Kumpels aufzuschliessen.
Diese Hunde sind meist freundlich und nicht aufdringlich, sie warten auf eine Futtergabe des netten Menschen. Wir hatten schon mal zwei Hunde die sich uns für ein halbes Jahr anschlossen. Sie bekamen ihre Tagesration und blieben zuverlässig am Campingbus. Auch wenn wir uns für Stunden - oder auch mal für zwei Tage wegen Freundesbesuch - entfernten lagen sie brav vor der Tür wenn wir heim kamen, wie bezahlte Bodyguards. Nachts schliefen sie unter dem Wagen. Sie hatten niemals Ambitionen hinein zukommen. Man muss auch nicht versuchen ihnen ein Halsband oder Leine anzulegen. Als wüssten sie, dass dann ihre Freiheit gefährdet ist weichen sie aus. Irgendwann waren sie dann plötzlich verschwunden und man sah sie dann Wochen später an einem anderen Stammplatz z.B. einem Kiosk oder an der Werft wo auch regelmässig was abfiel.
Eine Ausnahme gab es in den Jahren dort, eine junge klapperdünne Schäferhündin die uns regelmässig am Strand aufsuchte. Sie spielte mit mir die selben Spiele wie meine alte Hündin in Deutschland. Sie hörte auf die gleichen Worte, sie sah genauso aus, nur war sie ca. 10 Jahre jünger. Als wir den Standort wechselten, forderten wir sie auf ins Auto einzusteigen und mitzukommen. Sie tat es sofort. Wir waren ihre Familie.
Erstmal wurde sie gut aufgepäppelt, und als ich dachte nun wäre es aber gut mit dem Zunehmen hörte sie nicht auf dicker zu werden. Und wenige Tage später zuppte sie mich draussen auf dem Kai am Ärmel, rannte zu unserem Hausboot, kam zurück und zuppte wieder am Ärmel. Am selben Nachmittag warf sie vertrauensvoll in meinem Beisein 8 Welpen ins Boot. Im übrigen war unter diesen Welpen ein weisser Schäferhund. Mit 8 Wochen konnte ich diesen Wurf zum Glück an Privat vermitteln. Leider wurde dieses nette Schäferhundmädchen drei Jahre später vergiftet.
Dies war das zugelaufene griechisches Schäferhundmädchen, das mir nach ein paar Wochen 8 Welpen bescherte, und sich wunderbar in die Familie integrierte.
Die Vergiftungsaktionen in Griechenland wurden damals zweimal jährlich vorgenommen. Im Frühjahr und Herbst wurden breitflächig in Parks, Strassengestrüpp und überall wo die freien Hunde leben Giftköder ausgelegt um dieser "Plage" Herr zu werden. Tote Möven die diese Fleischköder auch gerne frassen und Katzen zeigten auf wann es wieder soweit war.
Das war vor 25 Jahren, wie es heute gehalten wird weiss ich nicht. Einige In- und Ausländische Tierschutzakteure haben sich ja zur Aufgabe gemacht Alle Freilebenden einzusammeln, zu kastrieren und zu sterilisieren.
Bei den freilebenden Hunderudeln in den Bergen Griechenlands ist dagegen äusserste Vorsicht geboten. Sie haben keine Angst vor dem Menschen, sind sehr selbstbewusst und kommen auch mit Drohgebärden im Rudel näher. Anders als Wildtiere die den Menschen immer meiden. Hauptsächlich ernähren sie sich von den Müllhalden die in Aussenbereichen zu finden sind. Aber sie umlagern auch Campingplätze, auch wenn diese hocheingezäunt sind. Erreichten wir einen Platz nach Schliessen der Tore konnten wir auch meist nicht aus dem Auto aussteigen, weil der Wagen von einem Rudel grosser Hunde umringt wurde. Das Risiko herauszufinden ob diese Hunde letztendlich freundlich sind geht man besser nicht ein.
Meine schönsten Beobachtungen konnte ich ausserhalb der Touristensaison in den Winterhalbjahren machen. In städtischen Parkanlagen von Athen sieht man die Hunde sich stundenlang in der Wintersonne aalen. Dort sah ich wie der Chef durch Körpergestik für Ordnung sorgt. Wenn sich zwei Mitglieder des Rudels nicht grün waren und sich Spannung aufbaute zwischen zwei Jungspunten ging der Boss in versteifter, betont langsamer Gangart mit angespannter Schulter- und Nackenpartie zwischen die beiden, bevor sie überhaupt Körperkontakt miteinander hatten. Er bliebt einfach zwischen ihnen stehen und die Widersacher trollen sich auf Abstand.
Hörten die Spannungen nicht auf ging er zu einem der Störenfriede hin in der selben Pose aber mit deutlicher Drohung wie Nackenhaare stellen und die Lefzen kräuseln. Weshalb er sich dabei den einen und nicht den anderen aussuchte war für mich allerdings nicht zu erkennen. Es geht erstaunlich friedlich zu in so einem Rudel. Kämpfe konnte ich nur feststellen, wenn ein nicht rudelzugehöriger Hund in das Revier kam, und der Fremdling sich nicht trollte und auch kein "Schön-Wetter" machte.
Die wichtigste Aufgabe des Rudelchefs scheint es zu sein für Ruhe zu sorgen.
Den härtesten Kampf den ich beobachten konnte fand zwischen zwei Rüden statt. Ein junger kräftiger Boxermischling wollte partou eine Strandparzelle für sich beanspruchen die ein Altrüde, ein Schäferhundmix, wohl in Besitz hatte. Sobald der Junge eine unsichtbare Linie überquerte ging der Alte auf ihn los. Es war ein übler Kampf wohl deshalb, weil es keine Beschwichtigungs- und Unterwerfungsgesten gab. Die beiden waren hinterher so abgekämpft, dass sie kaum noch auf den Beinen stehen konnten. Der Alte hatte dann in der letzten Szene den Jungen im Kehlgriff und schüttelte und schüttelte. Es sah aus als würde er ihm die Kehle rausreissen. Dann hielt er ihn wieder nur am Boden fixiert und dann schüttelte er ihn wieder. Die Fixierung mit wechselndem Schütteln dauerte länger als 10 Minuten. Der Junge war bewegungsunfähig und verdrehte die Augen. Ich dachte er wäre tot. Als der Alte ihn dann losliess sprang der Junge nach einigen Sekunden auf und zog ab. Und man glaubt es kaum, am nächsten Tag kam er wieder. ...
Andererseits habe ich Jahre später meine Schäferhündin Sina mit nach Griechenland genommen und unser Campingwagen wurde regelmässig von frei lebenden Stadthunden umrundet. Ebenso kam es täglich zu Strandbegegnungen mit dem Rudel. Sina hatte kein Problem sich zu integrieren. Es kam auch unter den Hündinnen zu keiner Beisserei. Es wurde gespielt und faul in der Sonne gelegen.
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